Baurecht in der Praxis: Umgang mit Kranüberhang auf das Nachbargrundstück

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Sachverhalt

Im Zuge der Errichtung eines Mehrparteienwohnhauses hat die Bauwerberin am nordöstlichen Eck des zu bebauenden Grundstücks einen Kran aufgestellt. Der Kranarm ragte dabei in der ungünstigsten Positionierung bis zu zwei Meter in das Nachbargrundstück.

Die Nachbarn wandten sich sohin an ihren Rechtsvertreter. 

Dieser wiederum suchte den Amtsleiter der Gemeinde auf, montierte das Anliegen seiner Mandanten und wurde sodann – im Sinne einer nachbarschaftlichen Lösung – der Kran durch die Bauwerberin so umgestellt, dass ein Überfahren des Luftraumes über das Nachbargrundstück nur mehr in Ausnahmefällen notwendig war.

Trotz Umstellen des Kranes fühlten sich die angrenzenden Grundeigentümer durch den Kran weiterhin beeinträchtigt, wandten sich erneut an ihren Rechtsvertreter und klagten die Bauwerberin auf Unterlassung.

Nachbargrundstück

Der Klagsvertreter brachte dabei zusammengefasst vor, die Beklagte habe einen stationären Kran auf ihrem Grundstück aufgestellt, ohne die hierfür erforderliche Bewilligung für die Fremdgrundbenützung beantragt und erhalten zu haben. Die Fremdgrundbenützung erfolgte nach Ansicht des Klagsvertreters demnach konsenslos, weil seitens der beklagten Bauwerberin, weder im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Bauverfahrens noch im im Zuge einer zivilrechtlichen Einigung, die Zustimmung erteilt wurde. Die Beklagte benutze – so die Ausführungen der Kläger – den Luftraum ihrer Liegenschaft ohne jegliche Berechtigung. Zudem seien die Kläger und deren Leute durch das widerrechtliche Überschwenken des Krans über ihr Grundstück in Angst und Unruhe versetzt worden.

Die Beklagte führte dementgegen aus, dass sie den Kran bereits so umstellen lies, dass ein Überfahren des Luftraums, über das Grundstück der Kläger, nur mehr in wenigen Einzelfällen notwendig sei. Ein Überfahren von Fremdgrund mit Lasten sei demnach überhaupt nicht mehr notwendig. Eine Gefährdung der Kläger durch den sach- und fachgerecht aufgestellten Kran sei sohin ausgeschlossen. Im Übrigen hätten die Kläger das Eindringen in ihren Luftraum, im unbedingt erforderlichen Ausmaß während der Bauphase, gemäß der seit 01.01.2022 in Geltung stehenden Regelung der Tiroler Bauordnung, ohnehin zu dulden.

Sohin war im gegenständlichen Verfahren vonseiten des Gerichtes die Rechtsfrage zu klären, ob es zum Überschwenken des Nachbargrundstücks eines Duldungsbescheides bedurft hätte und ob das von § 43 Abs 3 TBO geforderte unbedingt erforderliche Ausmaß überschritten wurde.

Rechtliche Beurteilung - Duldungspflicht des Nachbargrundstücks?

Zur ersten Frage führte das Landesgericht Innsbruck aus wie folgt: „Mit der seit 1.1.2022 (LGBl 165/2021 Art II) in Kraft stehender Bestimmung solle klargestellt werden, dass die Benutzung des Luftraums mittels Kränen jedenfalls zu dulden ist und keiner Zustimmung bzw. bescheidmäßigen Anordnung bedürfe.“

Die erläuternden Bemerkungen zu § 43 Abs. 3 TBO konkretisieren zudem: „Zu Z 23 (§ 43 Abs 3): Es soll klargestellt werden, dass die Benützung des Luftraumes mittels Kräne jedenfalls zu dulden ist und keiner Zustimmung bzw. bescheidmäßigen Anordnung bedarf.“

Zur Frage der Interpretation des Begriffs „im unbedingt erforderlichen Ausmaß“ verwies das Gericht zunächst auf die mit dem gegenständlichen Fall in Zusammenhang stehende Leitentscheidung des OLG Innsbruck, welche besagt, dass nach § 43 Abs 3 letzter Satz TBO (idF laut LGBl 165/2021) die Benutzung des Luftraums mittels Kränen (im Sinne des § 2 Abs 7 der Arbeitsmittelverordnung, BGBl II Nr. 164/2000, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl II Nr. 21/2010) und die damit verbundenen Sicherungsmaßnahmen zum Schutz von Personen und Sachen im unbedingt erforderlichen Ausmaß jedenfalls zu dulden sind.

Das Gericht beschäftigte sich weiters mit der Frage, ob der Begriff „unbedingt erforderliches Ausmaß“ zeitlich und/oder örtlich zu interpretieren ist, bzw. ob damit nur ein aktives Überschwenken mit Lasten oder auch ein passives ohne solche, oder sogar ein Überschwenken im Sinne des erforderlichen windfrei-Stellens auszulegen ist.

Weiters griff das Gericht die Frage auf, wen die Beweislast für das unbedingt erforderliche Ausmaß trifft.

Im gegenständlichen Urteil stellte das Gericht fest, dass von Seiten der Beklagten eine Anweisung an die Baustellenarbeiter dahingehend erfolgte, das Nachbargrundstück nur dann zu überschwenken, wenn dies absolut notwendig ist. Weiters hat sich aus den Beweisaufnahmen ergeben, dass das klägerische Grundstück nur einmal mit angehängten Lasten überschwenkt wurde.

Zu den übrigen „Luftraumverletzungen“ war zugunsten des Beklagten davon auszugehen, dass der Kran nur deshalb über das Nachbargrundstück ragte, weil ihn der Wind so ausgerichtet hat.

Dieses passive Überschwenken muss, dem Urteil des Gerichtes zufolge, im Sinne der obigen Ausführungen jedenfalls von der Duldungspflicht des § 43 Abs. 3 TBO gedeckt sein.

In Anbetracht dessen, dass § 43 Abs 3 TBO als lex specialis zu den allgemeinen Bestimmungen der §§ 297, 523 ABGB anzusehen ist, wären im Übrigen die Kläger beweispflichtig, dass ihr Grundstück über das unbedingt erforderliche Ausmaß hinaus, von der Bauwerberin überschwenkt wurde.

Die Kläger hatten schließlich das Überschwenken ihres Grundstückes zu dulden und konnten sich nicht auf eine unzulässige Beschränkung ihres Eigentumsrechtes berufen.

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