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Gewährleistung in Österreich: Ein Überblick
Beim Recht der Gewährleistung handelt es sich um die verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners (zB Verkäufer, Dienstleister, Werkunternehmer) für Mängel seiner Leistung. Doch was bedeutet das? Wenn wir eine Ware erwerben oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, dürfen wir davon ausgehen, dass diese unseren Vorstellungen und den Zusicherungen des Anbieters entspricht. Doch was geschieht, wenn das gekaufte Produkt Mängel aufweist oder die erbrachte Leistung hinter den Erwartungen zurückbleibt? Genau hier setzt das Gewährleistungsrecht an, indem es klare Regelungen und Rechte festlegt, die im Falle von Mängeln greifen. Es bildet somit ein wichtiges Fundament des Schuld- und Leistungsstörungsrechts. Der folgende Artikel beleuchtet die wesentlichen Aspekte des Gewährleistungsrechts und erläutert, mit welchen Bestimmungen und Instrumenten die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung der Vertragsparteien hergestellt werden soll.
Das Wichtigste in Kürze
- Gewährleistung ist die verschuldensunabhängige Haftung des Übergebers (zB Verkäufer, Werkunternehmer) für Mängel seiner Leistung. Sie unterscheidet sich von der Garantie, die eine freiwillige vertragliche Haftung darstellt.
- Mangelhaftigkeit: Eine Leistung gilt als mangelhaft, wenn sie nicht den vertraglich vereinbarten Anforderungen entspricht.
- Die Haftung setzt voraus, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe bestand oder bereits angelegt war.
- Gewährleistungsbehelfe: Unterscheidung zwischen primären Behelfen (Verbesserung, Austausch) und sekundären Behelfen (Preisminderung, Vertragsauflösung), wobei zunächst die Chance zur Verbesserung oder zum Austausch gegeben wird. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann auf die zweite Stufe (Preisminderung, Vertragsauflösung) gewechselt werden.
Worum handelt es sich beim Recht auf Gewährleistung?
Wie bereits einleitend ausgeführt, handelt es sich um die verschuldensunabhängige Verpflichtung des Übergebers, für Mängel, welche seine Leistung betreffen, einstehen zu müssen. Diese gesetzlich festgelegte Mängelhaftung des Übergebers (zB Werkunternehmer, Verkäufer usw) wird häufig mit der Garantie verwechselt. Im Gegensatz zur Gewährleistung liegt bei der Garantie jedoch eine freiwillige vertragliche Haftung vor, die in aller Regel über die Gewährleistungspflichten hinausgeht. Durch die Übernahme einer Garantiepflicht darf jedoch der Anspruch auf Gewährleistung nicht eingeschränkt werden.
Im Rahmen eines Vertragsverhältnisses wird von den Parteien eine Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung angestrebt. Sofern eine der Leistungen mangelhaft ist, soll im Zuge des Gewährleistungsrechts diese Gleichwertigkeit wiederhergestellt werden.
Rechtsgrundlagen
In Österreich sind beim Recht auf Gewährleistung drei verschiedene Rechtsquellen relevant:
- Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB)
- Konsumentenschutzgesetz (KSchG)
- Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG)
Während das allgemeine Gewährleistungsrecht im ABGB enthalten ist, geht das KSchG auf das höhere Schutzbedürfnis der Konsumenten ein. Das VGG ist seit 01.01.2022 in Kraft und setzt Vorgaben zweier Richtlinien der EU um. Im Wesentlichen sind darin Verträge über Warenkäufe und die Bereitstellung digitaler Inhalte geregelt.
Wann ist eine Leistung mangelhaft im Sinne des Gewährleistungsrechts?
Der Maßstab für die Bewertung der Mangelhaftigkeit ist stets der zugrundeliegende Vertrag. Weicht eine der beiden Leistungen von den vorgeschriebenen Vertragspflichten bzw dem vertraglich Geschuldeten ab, ist diese mangelhaft.
Beispiel 01: Katrin kauft Christians Gebrauchtwagen, der als unfallfrei beschrieben wird, um EUR 7.000. Im Zuge einer Reparatur wird jedoch festgestellt, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handelt. Da eine Abweichung vom vertraglich Geschuldeten vorliegt, ist Christians Leistung mangelhaft. Katrin hat Anspruch auf Gewährleistung.
Beispiel 02: Manfred erwirbt in einem Elektrofachgeschäft ein Smartphone. Nachdem er das gekaufte Gerät zuhause aus der Originalverpackung nimmt, bemerkt er, dass sich in der rechten oberen Ecke des Bildschirms ein Sprung befindet.
Vom Gewährleistungsrecht umfasst sind auch geheime Mängel. Hierbei handelt es sich um solche Mängel, die zum Zeitpunkt der Übergabe ebenfalls bereits vorhanden waren, aber noch nicht erkennbar, also erst später ersichtlich sind.
Ein geheimer bzw versteckter Mangel liegt bspw beim Kauf einer Immobilie vor, wenn ein Gebäude unzureichend isoliert ist und sich in Folge hinter der Tapete Schimmel bildet.
Beispiel 03: Petra erwirbt eine neuwertige Eigentumswohnung. Aufgrund von fehlerhaft montierten Fenstern tritt immer wieder Schimmelbildung auf. Hierbei handelt es sich um einen geheimen bzw verdeckten Mangel, da er zum Zeitpunkt bereits vorhanden, jedoch erst später erkennbar war.
Hinweis: Theoretisch besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Gewährleistungsausschluss zu vereinbaren. Selbst wenn die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen und ein derartiger Ausschluss vereinbart wurde, ist dieser jedoch nicht immer gültig.
Besonderheiten gibt es vor allem beim Kauf einer Immobilie im Zusammenhang mit geheimen Mängeln. Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 23.05.2023 (GZ 1 Ob 79/23h) haftet ein Verkäufer auch für geheime Mängel, wenn zwar die Gewährleistung ausgeschlossen, im Vertrag aber darauf hingewiesen wurde, dass der Käufer die Wohnung besichtigt hat und deren Zustand kennt. Derartige Vertragsbestimmungen sind so zu verstehen, dass ein Gewährleistungsausschluss nur Mängel betrifft, die für den Käufer im Rahmen einer sorgfältigen Besichtigung erkennbar gewesen sind. Daraus folgt, dass ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss, der mit einer Besichtigungsklausel verbunden ist, Gewährleistungsansprüchen für Mängel, die im Zuge einer sorgfältigen Besichtigung nicht erkennbar waren, nicht entgegensteht. Ergo können Gewährleistungsansprüche für derartige Mängel geltend gemacht werden.
Welcher Zeitpunkt ist für die Begründung der Haftung maßgeblich?
Vom Rechtsinstitut der Gewährleistung erfasst sind nur solche Mängel, die bereits zum Zeitpunkt der Übergabe bestanden haben. Hierbei ist es zumindest erforderlich, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe bereits angelegt war. Tritt er überhaupt erst später ein, besteht keine Haftung des Übergebers.
Beispiel: Ein von Stefanie neu gekauftes Tablet funktioniert nach einer Woche nicht mehr.
Ursache für den Defekt ist ein Wackelkontakt, der schon beim Kauf bestanden hat. Stefanie kann sich auf das Gewährleistungsrecht stützten.
Gewährleistungsfristen und Vermutung der Mangelhaftigkeit
Betrachtet man die vorigen Beispiele, stellt sich die berechtigte Frage, welchem der Vertragspartner der Beweis obliegt, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat. Modifiziert man das obige Beispiel 03 dahingehend, dass dieser Defekt am gekauften Smartphone erst nach vier Monaten auftritt, werden die damit einhergehenden Beweisschwierigkeiten umso nachvollziehbarer. Um dies zu entschärfen, stellt das Gesetz folgende Vermutungsregel auf:
Kommt der Mangel in den ersten sechs Monaten ab Übergabe hervor, hat der Übergeber zu beweisen, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorhanden war. Dies gilt z.B. beim Kauf (un)beweglicher Sachen oder bei Werkverträgen.
Im Anwendungsbereich des VVG beträgt diese Frist sogar ein Jahr. Handelt es sich um digitale Leistungen, welche fortlaufend bereitgestellt werden, besteht die Beweislast während des gesamten Bereitstellungszeitraums. Sind die digitalen Dauerleistungen Bestandteil eines Warenkaufs, beträgt die Frist zumindest zwei Jahre.
Achtung: Trotz dieser Vermutungsregel hat der Übergeber die Möglichkeit, zu beweisen, dass der Mangel erst später aufgetreten ist.
Abgesehen von diesem Vermutungszeitraum bzgl der Mangelhaftigkeit, können Gewährleistungsansprüche innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden. Handelt es sich um körperliche bewegliche Sachen, beträgt diese Frist zwei Jahre. Diese Frist gilt auch bei digitalen Einzelleistungen (zB E-Books). Generell während der Dauer der vertraglichen Bereitstellung ist die Geltendmachung von Gewährleistungsbehelfen bei digitalen Dauerleistungen möglich. Bei unbeweglichen Sachen beträgt die Frist drei Jahre ab Übergabe.
Behelfe der Gewährleistung – Rechtsfolgen
Hier sind die primären und die sekundären Gewährleistungsbehelfe zu differenzieren.
- Primäre Gewährleistung
- Verbesserung (Herstellung des vertragskonformen Zustands)
- Austausch
- Sekundäre Gewährleistung
- Preisminderung
- Auflösung des Vertrags
Grundsätzlich stehen zunächst nur die primären Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung, da dem Übergeber die Chance gegeben werden soll, den vertragskonformen Zustand herzustellen. Ein Wechsel auf die zweite Stufe (sekundäre Gewährleistungsbehelfe) steht nur unter gewissen Voraussetzungen zu. Preisminderung oder Aufhebung des Vertrags können bspw dann gefordert werden, wenn die Herstellung des mangelfreien Zustands nicht möglich ist oder wenn der Vertragspartner die Herstellung des mangelfreien Zustands verweigert.
Noch Fragen zur Gewährleistung?
Das Team der Rechtsanwaltskanzlei Strolz zeichnet sich durch seine umfassende Expertise und langjährige Erfahrung im Bereich der Gewährleistungsfragen aus. In Anbetracht der Tatsache, dass die Regelungen bezüglich des Gewährleistungsrechts durchwegs komplex und für Laien nicht einfach durchschaubar sind, empfiehlt es sich, einen darauf spezialisierten Anwalt zu konsultieren. Mit einem tiefgreifenden Verständnis für die Komplexität rechtlicher Rahmenbedingungen stellt die Kanzlei Mag. Strolz den idealen Ansprechpartner dar. Nehmen Sie noch heute unverbindlich Kontakt auf.